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Gehören Genie und Wahnsinn wirklich zusammen?

Ein kreativer Mensch wird oft damit assoziiert etwas Besonderes zu sein. Ihnen wird meist unterstellt, eine Gottesgabe zu besitzen, weltoffen, interessant, kultiviert zu sein und sogar etwas Mysteriöses, Unerklärliches zu haben. Aber nicht nur positive Aspekte gehen uns durch den Kopf, wenn wir an das „Genie“ denken. Immer wieder hört man, dass Genie und Wahnsinn miteinander einhergehen. Ist an dieser Theorie etwas Wahres dran?

Schon seit der Antike existiert der Mythos eines Zusammenhangs von Kreativität mit psychischen Störungen. Plato spricht von poetischer Verrücktheit, während von Theophrast, einem Schüler des Aristoteles, der Satz überliefert ist, dass alle außergewöhnliche Männer Melancholiker seien. Allerdings fährt der Text fort, dass die Melancholie bei manchen so stark werde, dass sie krank würden. In diesem Sinne ist Melancholie also nicht primär als krankhaft anzusehen, sondern eher als Zustand psychischer Labilität.

Auch die Wissenschaft befasst sich mit dieser Thematik und untersucht, ob eine tatsächliche psychologische Erklärung für die Verbindung zwischen diesen zwei Komponenten existiert. Der Psychologe Szabolcs Kéri hat in einer Studie mit 200 Probanden herausgefunden, dass ein bestimmtes Gen, von dem bereits bekannt ist, dass es die Wahrscheinlichkeit für Psychosen erhöht, womöglich auch die Kreativität fördert. Das besagte Gen mit dem Namen Neuregulin 1 ist unter anderem für die Entwicklung der Gehirnzellen, Flexibilität der Kontaktstellen und für die Kommunikation zwischen den Neuronen verantwortlich.

Der Bereich, der die Aktivität des Gehirns steuert, kommt einmal als C- und als T-Variante vor. Seit längerem hatten Forscher bereits nachgewiesen, dass Menschen, die von beiden Elternteilen die T-Variante geerbt haben (T/T-Variante), stärker dazu neigen Psychosen oder Schizophrenie zu entwickeln. Weitere nachgewiesene Beeinträchtigungen von der T/T-Variante sind eine geringe Hirnleistung, die sich durch einen niedrigen IQ, geringere Dichte des Zentralnervensystems und einer geringeren Kapazität des hirneigenen Arbeitsspeichers kenntlich macht.

Jedoch vermutete Kéri, dass die T-Variante auch positive Auswirkungen hat, die die negativen aufwiegen und daher noch in der Bevölkerung verbreitet und nicht im Laufe der Evolution verschwunden ist. In seiner Studie ergab sich, dass diese positiven Effekte tatsächlich die Kreativität steigern ließe. Die Probanden mit der T/T-Variante, hatten auf bestimmte Fragen mehr und mit originelleren Antworten reagiert und hatten sich in ihrem Leben mit mehr kreativen Tätigkeiten befasst.

Dennoch ist nicht komplett klar, ob das Gen Neuregulin 1 tatsächlich die Kreativität erhöht. Dazu müssten noch mehr Tests mit weiteren Probanden vorgenommen werden, da in dieser Studie sehr gebildete und kreative Leute getestet wurden. Dennoch ist Kéri weitestgehend davon überzeugt, dass eine biologische Verbindung zwischen Genie und Wahnsinn existiert.

Selbstverständlich leidet nicht jeder begabte oder kreative Mensch an einem psychischen Leiden und auch umgekehrt bedeutet eine Störung nicht zwangsläufig besondere Leistungen. Zwar hat uns die Geschichte einige Künstler hervorgebracht, bei denen dieses Phänomen zutrifft wie beispielsweise van Gogh, Michelangelo oder Beethoven und vielleicht ist da auch etwas Wahres dran. Doch bereits im 20. Jahrhundert wurde vermutet, dass die Gesellschaft nur dann Brillantes tolerieren kann, wenn es mit Leid einhergeht. Also ist es möglich, dass dem Ganzen eine Art Glaube an die „ausgleichende Gerechtigkeit“ zugrunde liegt. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Konflikt ausschließlich durch Pathologie und Stigmatisierung gelöst werden kann.

 

 


 

 

 

Headerbild: https://www.shutterstock.com/de/g/dutchlight

Quelle: https://www.zeit.de/2021/27/verhaltensforschung-psychologie-genie-wahnsinn-mythos-wissenschaft


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