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Warum eine gesunde Fehlerkultur so wichtig ist und wie man diese etablieren kann

Heutzutage hört man immer öfter, dass eine gesunde Fehlerkultur wichtig ist und bekommt Tipps, wie man diese aufbauen kann. Leider kommt dabei mitunter ein entscheidender Aspekt zu kurz:
Der gesunde Umgang mit Fehlern ist nicht nur ein Mittel für z.B. mehr Umsatz, sondern kann uns auch zeigen, welche grundlegende Haltung für das menschliche Leben nützlich und sinnvoll ist.

Was ist also mit gesunder Fehlerkultur gemeint? Es ist die grundlegende Bereitschaft jedes Einzelnen im System, Fehler zu begrüßen und sowohl als notwendige als auch wünschenswerte Ereignisse in der eigenen Entwicklung anzusehen — anders formuliert: Es geht um den Umgang mit unserer Nichtperfektion und der Tatsache, dass Menschen vor allem dadurch lernen, dass ihre Taten andere Ergebnisse liefern als erwartet und der Analyse, was sie bei nächsten Mal anders machen können.
Damit geht allerdings auch einher, dass der Lernprozess vor allem Zeit und Geduld braucht. Wer die Forderung an sich und andere stellt, jede Aufgabe direkt beim allerersten Mal gelöst zu bekommen, wird wahrscheinlich ständig scheitern und außerdem enorm viel Druck auf seinen Schultern spüren.

In der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg, gibt es diesbezüglich einen wundervollen Spruch:

"Hätte ich damals bereits dasjenige gewusst, was ich dadurch gelernt habe, dass ich einen Fehler begangen habe, dann würde ich ihn nicht getan haben."

Doch die Angst davor, Fehler zu begehen, führt nicht selten dazu, noch viel mehr Fehler zu machen. Und auch wenn Fehler generell nichts Schlimmes sind, leidet dadurch doch das Ergebnis, welches wir uns wünschen.

Und denk daran: Die derzeitige Fehlerkultur in Deinem Unternehmen ist immer auch ein Spiegelbild Deines eigenen persönlichen Menschenbildes und Deiner Beziehung zur Nichtperfektion, denn Deine Mitarbeiter*innen nehmen Deine Taten wesentlich mehr als Vorbild als Deine Worte. Wenn Du also lernst, eine gesunde Fehlerkultur für Dich persönlich zu etablieren, dann wird dies Deinen Mitarbeiter*innen auch einfacher gelingen können.

In der Auseinandersetzung mit positiver Fehlerkultur bemerke ich auch, dass dies ein sehr komplexes und tiefgehendes Thema ist, welches bei fast jedem Menschen – inklusive mir – mit diversen, oft negativen Erfahrungen einhergeht. Sei es Bestrafung im Elternhaus oder Verurteilungen in der Schule — wer früh lernt, dass Fehler etwas Schlechtes seien, der kann später eher Schwierigkeiten haben, Neues zu wagen und sein Leben mutig in die Hand zu nehmen.

Impulse für eine gesündere Fehlerkultur

Bevor Du losläufst und Änderungen in Deinem Unternehmen vornimmst, ist es wichtig herauszufinden, welche Kultur derzeit herrscht.

Dazu können folgende Fragen als erster Anhaltspunkt dienen:

- Welche Fehler werden überhaupt gemacht?
- Welche Prozesse sind davon betroffen, wo sind Sollbruchstellen?
Werden Fehler in den Teams und Abteilungen erfasst? Wie genau geschieht dies?
Wie sieht es mit der Übernahme von Verantwortung aus bei Fehlern? Gibt es Schuldzuweisungen z.B. in der Form: "Es lagt nicht an mir. Schuld ist XY...."
Werden Misserfolge schöngeredet oder verschwiegen?

Auf Basis der Antworten kannst Du nun schauen, welche der folgenden Impulse für Dich und Dein Unternehmen eine Rolle spielen.

Impuls 1: Überprüfe Deine Vorbildfunktion

Unabhängig davon, welche Maßnahmen Du ergreifst, um die Fehlerkultur zu ändern – sei ein Vorbild, welches die Werte, die sich durch die neue Fehlerkultur zeigen, auch selbst vorlebt. Dazu ist es ratsam, dass Du regelmäßig Dein Verhalten reflektierst: Gibst Du eigene Fehler zu? Übernimmst Du Verantwortung für Deine Fehler? Wie redest und denkst Du über Mitarbeiter*innen, die Fehler begehen?

Impuls 2: Verantwortung und persönlicher Wert voneinander entkoppeln

Ein mitunter komplexer Bereich ist die weit verbreitete Verflechtung von Verantwortung und persönlichem Wert. Was ist damit gemeint?
Wer einen Fehler begeht, tut gut daran, dafür die Verantwortung zu tragen. Gleichzeitig geschieht es in vielen Unternehmen, dass daraufhin die Kompetenz und/oder der Wert der Person, die den Fehler begangen hat, in Frage gestellt werden: "Wer viele Fehler begeht, scheint unfähig zu sein."

Das führt dazu, dass Menschen eher abgeneigt sind, sich für ihre Fehler zu verantworten und alles tun, dies zu umgehen: Fehler werden z.B. im Nachhinein schöngeredet, es war alles gar nicht so schlimm. Doch macht dies begangene Fehler nicht ungeschehen und erst gar nicht lehrreich.

Impuls 3: Transparenz und klare Richtlinien

Fehler ist nicht gleich Fehler – es gibt in jedem Unternehmen kritische Bereiche, bei denen Fehler katastrophale Folgen haben können. Sei es der vertriebliche Bereich oder z.B. der Kontakt zu besonders wichtigen Kunden. Kläre daher mit Deinen Mitarbeiter*innen, in welchen Bereichen fehlerfreier Output besonders wichtig ist. Dies bedeutet nicht, dass dort Fehler unangebracht sind. Es geht vielmehr darum, dass alle Fehler so weit im Vorfeld behoben werden, dass der abschließende Output den festgelegten Standards entspricht. In unkritischen Bereichen hingegen sind Fehler gar nichts Schlimmes, sondern sogar wünschenswert für die Entwicklung.

Impuls 4: Ermutige, sich zu Fehlern zu bekennen

Die meisten von uns sprechen lieber über die erreichten Erfolge als über die Misserfolge. Daher ist es umso wichtiger, Offenheit und Ehrlichkeit besonders wertzuschätzen. Ob es wohlwollende Worte vor allen Beteiligten sind, eine Auszeichnung für den/die beste/n Fehler-Macherin des Monats oder einen extra Block in Meetings, um die Fehler-Highlights der Woche zu feiern – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Wie auch schon im zweiten Impuls setzt dieses Vorgehen das Vertrauen in die Mitmenschen voraus, dass sie Fehler nicht aus Unwillen, Langeweile oder gar Böswilligkeit heraus begehen, sondern weil schlicht und einfach noch etwas fehlt, um die Aufgabe korrekt zu bewältigen. Die Wertschätzung von Misserfolgen/Fehlern führt also nicht dazu, dass Menschen absichtlich mehr Fehler begehen. Es geht vielmehr darum, Mitmenschen zu motivieren, sich für den Fehler zu verantworten und daraus zu lernen (siehe auch Impuls 6).

Impuls 5: Setz Dich mit den Themen "Scham" und "Wut" und dem dazugehörigen Mindset auseinander

Eigene Fehler zuzugeben ist in unserer Gesellschaft schnell mit Scham behaftet: Der Gedanke, nicht fähig/gut genug zu sein, keimt auf. Angst davor, "erwischt" und ausgeschlossen zu werden. Gleichzeitig auch die potenzielle Wut der Gegenseite, wenn sie den Fehler bemerken.
Dabei ist der Auslöser dieser Gefühlsausbrüche weniger der Fehler an sich als vielmehr die Bewertung davon. Wer einen Fehler als Zeichen für die eigene Unfähigkeit interpretiert und die Fehler anderer als Unvermögen, Böswilligkeit oder Inkompetenz deutet, gerät mit ziemlicher Sicherheit einen Strudel von unangenehmen Gefühlen und Gedanken. Um dies aufzubrechen ist es hilfreich, mit den eigenen Mitarbeiter*innen genau über diese „Tabu-Themen“ offen zu sprechen.

Impuls 6: Betrachte Fehler als Möglichkeit, schneller zu lernen

Wer kennt das Sprichwort nicht: "Aus Fehlern lernt man!"

Doch in der beruflichen Realität sieht es oft anders aus. Fehler werden verschwiegen, Schuld wird sich gegenseitig zugeschoben oder Fehler werden im Nachhinein schöngeredet.
Dies führt vor allem dazu, dass keine Verantwortung übernommen wird. Doch das Ziel einer guten Fehlerkultur sollte es in erster Linie sein, die Ursachen für Fehler zu offenbaren, daraus für die Zukunft zu lernen und diesen Erkenntnisgewinn an alle Beteiligten weiterzugeben. Das setzt eine transparente, offene Kommunikationsstruktur und auch genügend zeitlichen Puffer für die Analyse voraus. Auf diese Weise können z.B. Zeitfresser, Strukturschwachstellen oder Kommunikationsprobleme frühzeitig erkannt werden, sodass dadurch der zeitliche Aufwand für die Analyse mehr als genug ausgeglichen wird. Außerdem lernen Deine Mitarbeiter*innen, Verantwortung zu übernehmen. Nicht aus Angst, sondern aus der Gewissheit, dass Fehler wichtig sind für den eigenen und auch unternehmerischen Entwicklungsprozess.

 

Besondere Herausforderungen

Einfach die hier genannten Impulse "abzuarbeiten" wird wahrscheinlich nicht funktionieren. In Deinem Unternehmen arbeiten schließlich – inklusive Dir selbst –Menschen mit jeweils individuellen und komplexen Lebenswelten. Dass bei einem so wichtigen Thema wie der Fehlerkultur Missverständnisse, Uneinigkeit oder gar Gegenwehr auftreten können, ist somit nicht unwahrscheinlich. Daher umfasst der Aufbau einer gesünderen Fehlerkultur bereits die Aspekte dieser Fehlerkultur selbst:

Eine perfekte Fehlerkultur ohne großartige Fehlschläge etablieren zu wollen widerspricht der Grundhaltung hinter einer gesunden Fehlerkultur. Dir zu erlauben, nicht in der Lage zu sein, mit Fehlern immer gesund umgehen zu können, ist bereits ein wichtiger Schritt hin zum Ziel!

Fazit

Eine neue Fehlerkultur aufzubauen ist kein leichtes Unterfangen. Dennoch macht sich der Aufwand und das dafür nötige Verlassen der Komfortzone mehr als belohnt.

In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Erfolg und vor allem auch eine ordentliche Spur Gelassenheit dabei.

Dein Andreas

 


Quellen:

Titelbild: https://www.shutterstock.com/de/image-photo/young-black-sports-man-laughing-slapping-1521266411
https://leanbase.de/publishing/leanmagazin/tipps-fur-eine-positive-fehlerkultur
https://pflegepioniere.de/sieben-tipps-fehlerkultur/
https://www.humanresourcesmanager.de/news/7-tipps-fuer-eine-gesunde-fehlerkultur-im-unternehmen.html


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Über den Author
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Andreas
Hallo meine Lieben! Ich bin Andreas und seit 2020 als Reporter für Saleslife unterwegs. Als selbstständiger Coach, Trainer für Gewaltfreie Kommunikation, YouTuber und ausgebildeter Gymnasiallehrer suche ich immer wieder neue Herausforderungen. Abseits von bekannten Wegen probiere ich ungewöhnliche Ideen aus und nutze meine Kombination von Empathie, Intiution und logischem Denken, um einen ...
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